Kann jede(r) führen?

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In meinen Seminaren bearbeite ich das Thema „Führung“ mit mehreren Zielgruppen.
Mit Mitarbeitern und mit Führungskräften.
Mit Mitarbeitern, die Führungskräfte werden wollen.
Mit Führungskräften, die keine sein wollen und mit Führungskräften, die gerne Führungskräfte sein wollen, aber nicht sein können.
Es ist eine unangenehme Frage, die mir von allen gestellt wird. Kann jede(r) führen?

Ein Blick in die Literaturliste bei Amazon gibt Hoffnung:
„Leading simple: Führen kann so einfach sein“ oder „Jeder kann in Führung gehen“ sind nur zwei Buchtitel mit eindeutiger Aussage.

Stimmt aber nicht, sage ich. So einfach ist die Sache nicht. In der Praxis wird mit Führungsjobs vielfach unverantwortlich umgegangen. Missverständnisse säumen den Weg der frischgebackenen Führungskraft.

  1. Da wird etwa „Führen“ mit „Verwalten“ verwechselt. Dienstpläne erstellen, Urlaubslisten führen, Krankenstände & Anwesenheit kontrollieren, überhaupt alles kontrollieren.
  2. Expertenwissen soll führen. Der Beste im Fach soll auch das Sagen im Team haben. Ruhe expected ;-).
  3. Irgendwer muss es machen. Niemand interessiert sich für den Führungsjob, es wird aber eine Person gebraucht. Nun werden diverse Menschen angesprochen …
  4. Eine bestimmte Person soll es machen. Eh scho wissen …

Zur Sicherheit werden Hearings abgehalten, Assessment Center bemüht und Ausschreibungen vorgenommen. Muss ja alles seine Ordnung haben. Ist die Führungskraft dann in Amt und Würden, starten die Probleme. Erste Fragen tauchen auf: Der Verwalter beginnt zu kontrollieren. Der Experte fragt sich nun, wie Führungsarbeit gekürzt werden kann, damit er zu seiner Lieblingsbeschäftigung kommt. Der Irgendwer wartet ab. Die bestimmte Person hat endlich eine Spielwiese bekommen und schmeißt erstmal den ungeliebten Konkurrenten raus.

Führung ist das allerdings nicht. Führung bedeutet, sich ernsthaft mit Menschen auseinandersetzen zu wollen, ihnen Zeit zu widmen, Empathie und Verständnis sowie die Freude daran das Arbeitsziel zu erreichen – kurz, alles hintanzustellen, das nicht Führung bedeutet.

Ich weiß schon, der Alltag sieht anders aus. Dennoch. Der Wille, eine Führungskraft werden zu wollen, die mit Menschen zu tun haben will, ist eine erste Voraussetzung für erfolgreiches Führen. Dazu braucht es: Kommunikationsfähigkeit, psychologisches Wissen, Mut, Rückgrat und die Bereitschaft, Konflikte auszutragen, in Konflikten zwischen Mitarbeitern zu vermitteln und vor allem: Die Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Das ist ganz schön viel!